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Auf den Spuren des 1944 über Zell abgestürzten Großonkels: Heidi und David Bargerhuff zu Gast in Romrod

Auf den Spuren des 1944 über Zell abgestürzten Großonkels Heidi und David Bargerhuff zu Gast in Romrod - 1

Ende November 1944 stürzte bei Zell ein Kampfpilot der US Army ab – und war sofort tot. Sein Name: Clarence Galen Bevington. Der Soldat wurde zunächst in Zell beerdigt, später exhumiert und in den USA beigesetzt. Im Juni dieses Jahres besuchten Heidi Bargerhuff und ihr Bruder David die Stadt Romrod und die Absturzstelle. Clarence Galen Bevington war ihr Großonkel. Die beiden wurden empfangen von Bürgermeister Hauke Schmehl, dem Ortsvorsteher von Zell, Kai Habermann, sowie dem Vorsitzenden des Heimat- und Kulturvereins,  Horst Blaschko.

Jagdbomber im Zweitem Weltkrieg über dem Vogelsbergkreis

Militärisch wichtige Ziele gab es im heutigen Vogelsbergkreis während des Zweiten Weltkriegs kaum – abgesehen von zwei Orten, nämlich der “Muna” (Munitionsanstalt) bei Hartmannshain und dem Feldflugplatz Kirtorf. Und trotzdem kam es während der letzten Monate des Krieges auch in der hiesigen Region zu vielen Jagdbomber-Angriffen.

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Am 25. November 1944 überflog ein solcher “Jabo” die Gemarkung Zell und stürzte ab. Second Lieutenant Clarence Galen Bevington, Kampfpilot der United States Army Air Forces, wurde nur 25 Jahre alt. Er war an diesem Tag im englischen Raydon gestartet; als Flieger der “353. Fighter Group” begleitete er den Angriff einer Bomberdivision auf die Stadt Merseburg (Sachsen-Anhalt), in deren Nähe die Leunawerke lagen. Zwischen 11.28 bis 13.20 Uhr wurden ebenda 1000 Sprengbomben abgeworfen; der Angriff erforderte 105 Todesopfer. Auf dem Rückflug griffen die Jagdbomber eine Lokomotive sowie Bahnanlagen und Verkehrsziele in Ehringshausen und Zell an. Robert Keller aus Merlau hat dieses und viele andere Ereignisse in seinem Buch “Luftkrieg über dem Vogelsberg” (Burgwald-Verlag, 2004, nurmehr in Antiquariaten erhältlich) akribisch dokumentiert.

 Der 25. November 1944 in Zell

Über den Absturz zu berichten wusste Herbert Grein aus Zell, damals ein junger Bub, der in dem Buch wie folgt zitiert wird:

 Im Spätherbst 1944 mußten alle Besitzer von Pferdefuhrwerken – so auch mein Vater – Artilleriemunition in die umliegenden Wälder bringen. Die Granaten wurden aus Eisenbahnwaggons ausgeladen, die auf der Bahnstrecke Gießen-Fulda herangebracht wurden. Das Umladen auf die Pferdefuhrwerke erfolgte auf Bahnhöfen, aber auch an den Stellen, wo sich die Schienen mit festen Straßen kreuzten, so auch in den Wäldern.

Die Luftwaffe hatte Flakkräfte in unserem Raum entlang der Bahnstrecke in Stellung bringen lassen. Es waren meistens Zwillings- und Vierlingsgeschütze im Kaliber 2 oder 3,5 cm. Auch bei uns in Zell lag eine Batterie, die mit 2-cm-Zwillingsgeschützen ausgerüstet war.

Am 25. November 1944, als ich gerade wieder einmal bei den Soldaten war, sahen wir ein Flugzeug ganz niedrig aus Richtung Nieder-Ohmen kommen. Wir sahen, wie es die Baumwipfeln streifte und anschließend neben der Maulbacher Straße aufschlug. Einzelteile flogen von dem Flugzeug hoch in die Luft, es brannte aber nicht.

Ich bin mit den Soldaten hingelaufen, die sich sofort um den Piloten kümmerten, der aber schon tot war. Die Soldaten (Anm: namentlich Heinrich Seyb) haben ihn aus dem Sitz gezogen und neben das Flugzeug gelegt. (…) Irgendwelche Verletzungen konnten wir an dem amerikanischen Flieger nicht entdecken. Auch das Flugzeug hatte keinerlei Einschüsse, wie die Flaksoldaten feststellten. Der Batterieführer meinte, daß der Jagdbomber durch die Unachtsamkeit des Piloten Baum- oder gar Bodenberührung hatte und dadurch zum Absturz kam. Am selben Abend kamen aber noch Angehörige der Nieder-Ohmener leichten Flakbatterie und meinten, sie hätten den Jäger beschossen und wollten ihn als Abschuß anerkannt haben. (…)

Die Aufschlagstelle wurde dann gesperrt und die Trümmer sind später von einem Bergungskommando abgeholt worden.

Hinter dem Flieger von Bevington flog seinerzeit der Pilot Richard F. Vomaske. Die Aussagen des First Lieutenants bestätigen die Vermutung, dass es ein Absturz ohne Feindkontakt war. Vomaske schilderte den Vorgang in Robert Kellers Buch:

“Ich flog (…), als der Führer unseres Fluges uns herunterbrachte, um nördlich von Frankfurt eine Lokomotive zu bombardieren. Lt. Bevington (…) war direkt vor mir in erster Stellung. Ich näherte mich dem Ziel, aber mein Gewehr feuerte nicht, und ich zog früh hoch. Beim Hochziehen sah ich, daß Lt. Bevingtons Maschine seltsam trudelte. Ich glaube, ich sah ein Stück seines Flügels abfallen. Bevor ich die Maschine aus meinen Augen verlor, sah ich sie in Bäume fallen. Ich kam wieder, um noch einmal nachzusehen und sah, daß die Maschine zerschellte. In dem Gebiet wurde keine Flak beobachtet, und ich sah keinen Fallschirmspringer.”

Clarence G. Bevington wurde in Zell beerdigt. Am 1. Juni 1945 wurde er von den Amerikanern exhumiert und auf den amerikanischen Militärfriedhof nach Margraten in Holland umgebettet. Am 22. Februar 1949 wurde der Leichnam nochmals von Margraten in die USA überführt, genauer gesagt auf den Zivilfriedhof Galveston in Indiana.

Hinweis eines Luftfahrtarchäologens führte die Bargerhuffs nach Romrod

Jens Schaper, Luftfahrtarchäologe aus Niedersachsen, hat bereits 680 Flugzeugabstürze in Deutschland dokumentiert. Vor fünf Jahren traf er in Nienburg/Weser auf eine Gruppe Amerikaner, die zusammen mit dem britischen Historiker Graham Cross auf der Suche nach Spuren ihres im Jahr 1944 abgestürzten Verwandten waren. Diese Begegnung führte schließlich zu einer Anfrage einer amerikanischen Familie nach Zeitzeugenhinweisen zu besagtem Flugzeugabsturz über Zell. Horst Blaschko vom Heimat- und Kulturverein Romrod konnte die Geschichte dank der Niederschrift Robert Kellers rekonstruieren und weiterhelfen.

Und es kam sogar zu einem persönlichen Kontakt: Am 13. Juni waren Heidi und ihr Bruder David Bargerhuff zu Gast in Romrod. Mit Bürgermeister Hauke Schmehl, dem Zeller Ortsvorsteher Kai Habermann und Horst Blaschko begaben sich die beiden zur Absturzstelle des Flugzeugs und besuchten anschließend den Friedhof in Zell. Zum Abschluss wurde den amerikanischen Gästen eine Führung durch das örtliche Museum, die alte Synagoge am Museumsufer und natürlich durch Schloss Romrod ermöglicht.

Die Bargerhuffs zeigten sich beeindruckt von der Geschichte der kleinen Stadt Romrod sowie von den landschaftlichen Impressionen rund um die Absturzstelle und der zwischenzeitlichen Ruhestätte auf dem Friedhof in Zell. Die oberhessische Landschaft, versicherten die beiden, gleiche der Heimat ihres Großonkels im Bundesstaat Indiana; dort, in der Kleinstadt Bunker Hill, wurde Clarence Galen Bevington am 11. Februar 1919 geboren. Der Friedhof Galveston, auf dem Bevington seine letzte Ruhe fand, ist zehn Meilen entfernt.

Geschichte und Vermächtnis der Vergangenheit bewahren

Die historische Aufarbeitung und der Besuch der amerikanischen Familie haben zu einer tieferen Aufarbeitung und Würdigung der Vergangenheit beigetragen. Sie verdeutlichen die Bedeutung des persönlichen Austauschs und die Verbindung zwischen den Menschen, damals wie heute. Die Zusammenarbeit zwischen Luftfahrtarchäologen, Historikern, Familienangehörigen und der Stadt Romrod hat es ermöglicht, die Geschichte und das Vermächtnis der Vergangenheit zu bewahren, zu ehren und neue Brücken zu bauen.

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