Vor über 200 Jahren in Romrod gebaut: Ober-Ohmen hofft auf den Titel „Orgel des Jahres“ – Orgelbauerfamilie Bernhard prägte die Orgel-Landschaft in Hessen
Von Patricia Luft, Jens Zulauf & Thomas Liebau (Text) & Markus Witznick (Fotos)
Ein musikalisches Juwel im Vogelsberg steht im Rampenlicht: Die historische Orgel in der evangelischen Kirche Ober-Ohmen ist als „Orgel des Jahres 2025“ nominiert. Noch bis zum 15. Mai 2025 kann online für das Instrument abgestimmt werden – ein bedeutender Moment für das ambitionierte Restaurierungsprojekt. Bereits im April 2024 wurde sie von der Stiftung Orgelklang zur „Orgel des Monats“ gekürt – verbunden mit einer Förderung in Höhe von 6.000 Euro. Die Stiftung, getragen von der EKD, unterstützte letztes Jahr in diesem Jahr 17 Projekte mit insgesamt 60.000 Euro (bzw. 70.600 Euro inkl. Projektspenden). Seit 2010 hat sie 281 Orgeln mit über 1,5 Millionen Euro gefördert.
Orgel wurde 1808/1809 in Romrod gebaut
Erbaut wurde das Instrument 1808/09 vom Orgelbauer Johann Hartmann Bernhard aus Romrod – sein erstes zweimanualiges Werk. In ihrer Disposition mit 23 Registern, Pedal und mechanischer Schleiflade spiegelt sich der mainfränkisch-barocke Stil wider.
Johann Hartmann Bernhard wurde am 17. Dezember 1773 in Romrod geboren und verstarb auch dort am 22. August 1839. (Johann) Hartmann Bernhard entstammte einer Orgelbaufamilie, die über mehrere Generationen wirkte und bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts tätig war. Bernhards Vater, Johann Georg Bernhard, stammte aus dem heutigen Ortsteil Zell und machte sich in den 1770er Jahren selbstständig.
Romrod war seinerzeit eine regelrechte Orgelbauer-Dynastie; die Orgelbauerfamilie Bernhard prägte – einschließlich der von ihnen ausgebildeten Schüler – die Orgel-Landschaft in Hessen. Über 120 Orgelneubauten oder umfassende Renovierungen sind bekannt. Hartmann Bernhard baute jedes Jahr eine Orgel, die er alle individuell gestaltete. In der Orgel in Ober-Ohmen hinterließ Hartmann Bernhard ein Schriftstück, in der auf sich als Erbauer hinweist:
Darauf ist zu lesen:
Diesse Orgel und die Orgel zu
Koedingen sind mit einander
gemacht worden. Vom Orgel und
Instrumentenmacher Hartmann
Bernhard von Romrod, meine
Frau wahr eine gebohrne Schloßerin
von Elpenroth, mein aelster Sohn
Wahr 4 ½ Jahr alt der zweite 3 Jahr
und der dritte 1 Jahr.
Romrod d: 12ten October 1808
(Transkription: Jens Zulauf)
Hartmann Bernhard baute ab 1800 unter anderem die Orgeln für Kirchen in Engelrod, Köddingen, Elpenrod, Feldkrücken, Ober-Mockstadt, Pfungstadt, Kelsterbach, Wahlen, Storndorf, Heidelbach, Rodheim-Bieber, Oppershofen, Ober-Bessingen (Lich), Wißmar bei Gießen und viele mehr – insgesamt baute der Romröder Orgelbauer wohl drei Dutzend Orgeln in der in der damaligen Landgrafschaft Hessen-Darmstadt. Die zuletzt 2012/2013 renovierte Orgel in Pfungstadt war sein größtes Werk mit insgesamt 26 Registern. Die Familie wohnte übrigens in der Alsfelder Str. 31; das Anwesen war schon im Brandkataster des Jahres 1822 gelistet.
Die Orgel in Kelsterbach baute er ebenfalls (1822/23); sein damals 18jähriger Sohn Friedrich Wilhelm Bernhard (1804-1861) (Wikipedia) hinterließ in der Orgel eine Inschrift, die hier auf einem Foto zu sehen ist. Friedrich Wilhelm Bernhard übernahm die Werkstatt seines Vaters in Romrod; sein Bruder Adam Karl Bernhard (Wikipedia) machte sich nach dem Tod seines Vaters in Gambach selbstständig. Seine Söhne Karl Theodor (1850–1936) und Karl Rudolf Bernhard (1854-1909), Johann Hartmann Bernhards Enkel, führten die Werkstatt in Gambach unter dem Namen „Gebrüder Bernhard“ (Wikipedia) fort bis zum Ersten Weltkrieg – danach gab es keine Bernhard-Orgeln mehr.
Orgel in Ober-Ohmen muss renoviert werden
Die Klangkraft der Orgel in Ober-Ohmen indes hat in den letzten Jahrzehnten stark gelitten: beschädigte Pfeifen, schwacher Windfluss, kaum noch stimmbar. Frühere Umbauten, zuletzt 1970, brachten keine nachhaltige Verbesserung. „Die Orgel ist für die Region von der Größe und ihrer Art eine Besonderheit – sie gehört zur Geschichte dieses Ortes“, betont freilich Pfarrer Markus Witznick.
Seit Jahren setzt sich die Kirchengemeinde für eine umfassende Sanierung ein – nun rückt sie endlich in greifbare Nähe. Die Gesamtkosten liegen bei rund 282.000 Euro. Die Hälfte stammt aus dem Kulturfonds des Bundes, hinzu kommen Mittel von der Sparkassenkulturstiftung, dem Hessischen Denkmalschutz, der EKHN und dem Evangelischen Dekanat Gießener Land.
Etwa 70.000 bis 80.000 Euro muss die Gemeinde noch selbst aufbringen. „Ich bin dankbar für die rege Unterstützung in der Bevölkerung, die uns hilft, das Instrument wieder in aller Schönheit erklingen zu lassen“, erklärt Witznick. Eine große Spenden-Orgelpfeife in der Kirche lädt auch weiterhin zum Spenden ein. Ein Besuch im August 2024 durch Vertreter des Denkmalschutzes und der Sparkassenstiftung unterstrich die Bedeutung des Projekts eindrucksvoll.
Die Wahl zur „Orgel des Jahres 2025“ ist zwar undotiert, bringt aber wertvolle Aufmerksamkeit. „Wir hoffen, dass der Titel das Projekt in der Region und darüber hinaus sichtbar macht – und vielleicht neue Förderer begeistert“, so Witznick. Jede Stimme zählt!
Wer die Restaurierung unterstützen möchte, kann direkt spenden auf das Konto der Kirchenkasse Ober-Ohmen bei der Volksbank Mittelhessen, IBAN: DE89 5139 0000 0020 0114 16, Stichwort: Spende Orgel OberOhmen.
Ein Benefizkonzert mit dem Münchner Vokalensemble „Salonfähig“ zur Unterstützung der Sanierung ist für den 21. Juni 2025 um 17 Uhr in der Ev. Kirche geplant – alle sind herzlich eingeladen!
Jetzt abstimmen: www.orgeldesjahres.de