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Betrachtungen zur Kultur und Gestaltung des Romröder Friedhofs

Friedhof Romrod

Von Horst Blaschko

Vor einigen Wochen veranstaltete der Heimat- und Kulturvereins eine Begehung des Romröder Friedhofs mit einer ausgewiesenen Expertin, Frau Dagmar Kuhle von der Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal e.V. in Kassel. Ziel war das Kennenlernen kultureller und gestalterischer Aspekte beim Blick auf den Friedhof. Teilnehmende waren neben interessierten Bürgerinnen und Bürgern auch Mitglieder des Ortsbeirats, des Seniorenbeirats und der evangelischen Kirchengemeinde. Der nachstehende Bericht erörtert einige wichtige Themen, die von Frau Kuhle angesprochen wurden.

Der Friedhof wurde 1710 eingeweiht; dies ist heute der alte Friedhofsteil im Norden in Form eines von West nach Ost langgestreckten Rechteckes. Im Süden kam eine Erweiterung in Form eines Dreiecks, das seit 1985 belegt wird, hinzu. Zwischen den beiden Friedhofsteilen erinnern ein alter Eingang und eine den Friedhof durchlaufende Hecke an die Etappe der Erweiterung. Das Gelände steigt von Westen nach Osten leicht an, es ist nicht terrassiert. Die Größe beträgt insgesamt etwa 5.200 Quadratmeter. Der Haupteingang ist mit einem gebauten Tor markant gestaltet, an das nach Süden eine Friedhofskapelle anschließt, die am 3. August 1986 eingeweiht wurde. Im Osten gibt es einen Hinterausgang. Es sind einige raumbildende Großgehölze vorhanden, in einer ausgewogenen Mischung zwischen Laubgehölzen und immergrünen Gehölzen, wobei eine große Eiche am Vorplatz der Trauerhalle und eine weitere in der Mitte des alten Friedhofsteils besonders markant und prägend für den Friedhof sind.

Die Ansicht des Friedhofs ist noch von am Weg liegenden Gräbern für Erdbestattungen (Reihen- und Wahlgräber) geprägt, der Topografie folgend mit den Steinen im Osten des Grabes angelegt. Der Trend geht jedoch, wie auf vielen anderen Friedhöfen auch, hin zum Urnengrab. Diese Veränderung zeichnet sich an zwei Stellen bereits im Friedhof ab, und zwar in den Rasengräbern unter der Eiche am Eingang und einem Gräberfeld mit Ringen für Urnengräber. Weiter sind markante Stellen im Friedhof ein Lapidarium nahe des Eingangs und eine Gedenkstätte für die Toten des Ersten und Zweiten Weltkriegs in der Mitte des alten Friedhofsteils.

Eingänge

Es führt ein leicht ansteigender Weg als Birkenallee zum Haupteingang des Friedhofs.  Im Hinblick auf die Nutzung des Friedhofs gibt bereits der leichte Anstieg und die Sitzbank ein erstes „Signal“, den Schritt zu verlangsamen und ist damit der Annäherung an den Friedhof zuträglich.

Hier könnte ein Großstrauch, z. B. ein Crategus monogyna (Weißdorn ), gepflanzt werden, wie er in der Vergangenheit dort gestanden hat. Er würde den Sitzenden Schatten spenden, ihnen eine „Rückwand“, bzw. einen leichten Sichtschutz in Richtung der Autos Richtung Parkplatz bieten. Weißdorn gehört zu den Pflanzen, die für die Historie als Einfassungen für Friedhöfe benannt werden.

Die Allee aus Betula (Birken) betont den Weg, den leichten Anstieg zum Friedhof, sie gibt ihm Schutz und stimmt damit auf die Charakteristik des anschließenden Friedhofs ein, der ein eingefriedeter und damit geschützter Ort ist. Die Birke mit ihren hängenden Ästen gilt als Sinnbild für Trauern, zugleich geben die feinen Blätter und hellen Stämme dem Ganzen jedoch auch eine „leichte“, „lichte“ und damit „freundliche“ und „einladende“ Note. Der leichte Anstieg lässt naturgemäß den Schritt langsamer werden, was auf den Friedhof als besonderen Ort, auf dem alles leiser und langsamer als „draußen“ zugeht, einstimmt.

Das Verhältnis von Laubbäumen und Immergrünen ist ausgewogen, so dass bereits in der vorgelagerten Grünfläche auch im Winter Grün als tröstliches Symbol des Lebens (Ewigen Lebens) vorhanden ist.

Kaum deutlicher als durch das erhaltenswerte Torgebäude könnte auf den Beginn des Friedhofes hingewiesen werden. Symbolisch wird so der Beginn des besonderen Ortes Friedhof auf ideale Weise markiert. Die Botschaft, dass ein besonderer Ort betreten wird, wird durch das Tor mit Kreuz noch verstärkt.

Die Gestaltung des Haupteingangs insgesamt bringt eine deutliche und angemessene Trennung zwischen der „Welt der Lebenden“ und der „Welt der Toten“ hervor.

Lapidarium (Grabzeichensammlung)

Hinter dem Eingang, beidseits an den Rückseiten des Torbaus, steht eine Sammlung historischer Grabzeichen aus Sandstein und Gusseisen. Sie sind unter der Dachtraufe in der Wand befestigt und damit relativ gut vor Witterungseinflüssen geschützt.

Frau Kuhle empfahl, das Lapidarium (Grabzeichensammlung) um exemplarische Zeitzeugen (kunstgeschichtlich, handwerklich oder in Bezug auf die Ortsgeschichte bedeutende Grabzeichen) späterer Zeitphasen zu erweitern, eventuell linear oder an die bestehende Sammlung anschließend als lockere Gruppe in Richtung nördliche Friedhofsbegrenzung.

Der Erhalt geschichtlich relevanter Gräber, wenn möglich auch „in situ“, sollte angestrebt werden. Ein bereits realisiertes Beispiel ist das Grab des Ehepaars Zinsser, von dessen Grab Inschriftenplatten an der Innenseite der östlichen Friedhofsmauer eingelassen wurden. Zu empfehlen ist eine Erfassung erhaltenswerter Grabzeichen, auch im Hinblick auf eine mögliche ortsgeschichtliche Bedeutung von Bestatteten.

Einfriedung

Nach Norden ist der Friedhof mit einer Natursteinmauer mit bewachsener Mauerkrone eingefriedet. Eine Mauer ist die ideale Einfriedung, da sie eine deutliche Grenze markiert. Nebenbei ist sie aus ökologischen Gründen wertzuschätzen. Außerhalb des Friedhofs ergänzt eine Reihe hoher Bäume die Grenze in die Höhe, so dass die Friedhofsfläche bis an die Mauer nutzbar ist. Die Mauer sollte erhalten und wo notwendig, repariert und ertüchtigt werden.

Auch im Nordosten ist eine Mauer die Einfassung. Vor dem Hintergrund hinzugekommener angrenzender Bebauung fehlt hier jedoch nun eine Fortsetzung der Grenze in die Höhe.

Empfohlen wird eine beidseitige Ergänzung der Linde am Ende des Hauptweges mit weiteren großkronigen Gehölzen (evtl. auch Linde), so dass eine zusammenhängende Baum- bzw. Gehölzreihe entlang der gesamten Friedhofsgrenze nach Osten entsteht, die zumindest in Teilen als Sichtschutz fungiert.

Friedhofsprägendes Naturdenkmal Quercus (Eiche)

Markanter Mittelpunkt des Friedhofs ist eine alte Quercus (Eiche). Sie ist als ein Naturdenkmal verzeichnet.

Der den Friedhof zentral erschließende Weg wurde asphaltiert, somit auch unter der Krone und direkt am Stamm entlang. In der Folge haben Hauptwurzeln auf der Suche nach Wasser von der Unterseite des Asphalts her den Weg aufgebrochen.

Hier empfahl Frau Kuhle die Verlegung der Wegeführung und Veränderung des Wegebelages: Anlage eines mit Randsteinen eingefassten Weges aus wassergebundener Decke als Rundweg im Traufbereich des Baumes. Behutsames Entfernen des Asphalts im gesamten Bereich der Baumkrone. Da es sich um ein Naturdenkmal handelt: Beteiligung eines Vertreters der Unteren Naturschutzbehörde Vogelsbergkreis. Zwischen Stamm und Weg aus wassergebundener Decke Raseneinsaat.

Die Sichtachse durch den Friedhof Richtung Osten bliebe von einer solchen Veränderung unberührt.

Gefallenendenkmal

Das Denkmal für die Gefallenen des Ersten und Zweiten Weltkriegs besteht aus einem Wanddenkmal mit den Namen der Gefallenen, dahinter steht ein Hochkreuz, was diese Stelle zum Mittelpunkt des gesamten Friedhofs werden lässt.

Vor dem Wanddenkmal befindet sich eine Rabatte mit Waldsteinia ternata (Dickmännchen), und wiederum davor steht ein historischer Pfeiler. In jüngerer Zeit kamen seitlich auf der Fläche aus Kalkschotter zwei Bänke und in Richtung des Hauptweges des Friedhofs ein – im Vergleich zum historischen Pfeiler – um 45 Grad gedrehter Pfeiler mit dem Motiv „Betende Hände“ hinzu.

Insgesamt sind sehr viele Motive hintereinander, bzw. voreinander gestellt, so dass sie als einzelne Gedenkzeichen ihre Wirkung nicht voll entfalten können. Die Stelle für die jüngste Plastik setzt die Symmetrie und Frontalität der historischen Anlage fort, wohingegen die beiden Bänke asymmetrisch stehen und zum Aufenthalt einladen, wobei letzteres durchaus eine zeitgemäße Anpassung der Gedenkstätte in Bezug auf sich schon seit längerem verändernder Gedenkformen ist: Die Entwicklung geht in Richtung eines Schwächerwerdens eines Gedenkens zu festen Zeitpunkten (z.B. Feiern des Volkstrauertages im November) und hin zu individuell gewählten Zeiten des Gedenkens (z. B. Besuch der Gedenkstätte spontan im Rahmen eines Friedhofsbesuches) und zudem weg von einem frontalen Gedenken (Aufmärsche von Menschenansammlungen vor der Gedenkstätte an Gedenktagen zur Kranzablage) hin zu einem individuellen Aufenthalt einzelner Personen oder kleiner Gruppen, wofür dezentral aufgestellte Sitzbänke eine Anlaufstelle bieten können.

Ein positiver Effekt des zuletzt aufgestellten Pfeilers – dessen Position grundsätzlich das mehrfache Voreinander-Aufstellen leider fortsetzt – ist, dass aus der Perspektive der Fläche zum Weg hin der Ansatz eines geschützten Raumes entsteht, der – neben den Bänken – einmal mehr zum individuellen Aufenthalt und Verweilen einlädt.

Neue Grabformen: Rasengräber unter Bäumen

Am Vorplatz der Trauerhalle wurde für Urnenrasengräber um die alte Eiche die für den Friedhof charakteristische Ausrichtung der Gräber in Richtung Westen zugunsten von Ringen um den Baum aufgegeben. Auf der Ebene der Gräber verliert der Friedhof damit seine Einheitlichkeit.

Auch wenn Urnengräber keine Richtung haben wie ein Grab für Körper: dennoch kann die Ausrichtung der Grabzeichen für Urnengräber die Regel der Ausrichtung der Grabzeichen des Friedhofs fortführen. Es wäre eine Möglichkeit gewesen – und in ferner Zukunft wird es sie bei Neubelegung wieder geben – auch die Liegesteine für Urnen nach dem Vorbild der Grabzeichen für Körper auszurichten. Dies ist hier zugunsten eines Zusammenhanges auf der Ebene der Gräber zu empfehlen. Die Wirkung der Baumkrone als „Dach“ für das Gräberfeld ist davon nicht beeinträchtigt.

Neue Grabformen: Rasengräber an Sandsteinrondellen

In einem Gräberfeld oberhalb der Gedenkstelle wurde ein Kreis aus Sandstein angelegt, ein Motiv, das auf drei erweitert werden soll. Für jeden Kreis ist im Inneren die Pflanzung eines Baumes vorgesehen. Auf die Mauerköpfe sollen die Namen der Verstorbenen angebracht werden, die in Urnengräbern vor den Rondellen im Rasen beigesetzt werden (Urnen-Rasengräber). Je zwei Urnengräber sollen einem Stein in der Mauer zugeordnet werden. Auf der Innenseite der Mauer wird für die Nutzungsberechtigten, sofern von ihnen gewünscht, persönlich vorgenommene Bepflanzung gestattet sein. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu den auf dem Friedhof vorhandenen Rasengräbern.

Somit wird es auf dem Friedhof für Urnengräber zwei Gestaltungen geben, die für Nutzungsberechtigte pflegefrei sind: Rasengräber unter der Eiche und Rasengräber um Rondelle.

Gestalterisch bricht die Kreisform der Rondelle mit der im Friedhof vorherrschenden Regel des rechten Winkels. Um den Bruch nicht noch zu verstärken, ist die Empfehlung, erstens den Rasen als Erschließungsfläche zu nutzen und für den Fall, dass Wege zu noch zu stellenden Bänken geplant sind, die Bänke vor die einfassenden Hecken zu stellen und Wege demensprechend vor den Hecken und Bänken entlangzuführen. Dies wäre eine Art „Übergang“ von rechtwinkligen zu rund geformten Bereichen. Zu empfehlen wäre eine Anlage von mindestens zwei Sitzbänken vor den im rechten Winkel das Gräberfeld einfassenden Hecken. Den Bänken könnte je ein Großstrauch, z. B. Amelanchier lamarckii (Kupfer-Felsenbirne) zur Seite gestellt werden, für einen (Sonnen-)Schutz der Sitzenden.

Soweit die wesentlichen Aspekte, die auf dem sehr interessanten und kurzweiligen Friedhofsspaziergang angesprochen wurden. Für Rückfragen und Anregungen steht der Vorsitzende des Heimat- und Kulturvereins, Horst Blaschko, gerne zur Verfügung (E-Mail: Horst.Blaschko@t-online.de ).

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